Dringender Handlungsbedarf für den Schutz queerer Menschen und gegen Queerfeindlichkeit
In den letzten Jahren haben wir einen besorgniserregenden Rechtsruck in unserer Gesellschaft erlebt, der mit einer zunehmenden Queerfeindlichkeit einhergeht. Diese Entwicklung ist nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ spürbar und hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben und die Sicherheit queerer Menschen in unserem Bundesland. Als Vertreter*innen queerer Vereine in Mecklenburg-Vorpommern möchten wir unsere Besorgnis über diese Entwicklungen zum Ausdruck bringen und konkrete Forderungen an den Landtag und die Landesregierung sowie einen Appell nach Solidarität an die Zivilgesellschaft richten.
Anstieg der Queerfeindlichkeit
Die Normalisierung von Queerfeindlichkeit in der Gesellschaft ist alarmierend. Diskriminierung, Gewalt und Hassrede gegen queere Menschen nehmen zu. Diese Tendenzen sind nicht nur in extremistischen Kreisen zu beobachten, sondern finden auch in breiten Teilen der Bevölkerung Anklang. Das zeigen nicht zuletzt die jüngsten Brandanschläge auf das „bsieben“, eine queere Bar und Schutzraum für queere Menschen in Rostock, sowie das Verbot der Regenbogenflagge auf dem Neubrandenburger Bahnhofsvorplatz. Wir fordern den Landtag und die Landesregierung auf, aktiv gegen diese Entwicklungen vorzugehen und ein klares Zeichen für Vielfalt und Akzeptanz zu setzen. Die Zivilgesellschaft bitten wir um Solidarität mit den Betroffenen queerfeindlicher Gewalt und Awareness gegen Queerfeindlichkeit im alltäglichen Leben.
Angst in der queeren Community
Die gegenwärtige gesellschaftliche Stimmung führt zu einer tiefen Verunsicherung innerhalb der queeren Community. Viele Menschen haben Angst vor einem queerpolitischen Rollback, welcher erkämpfte Rechte und Freiheiten gefährden könnte. Diese Ängste müssen ernst genommen werden. Wir fordern die Schaffung eines sicheren Raums für queere Stimmen in politischen Entscheidungsprozessen und verstärkte Bemühungen seitens des Landtags und der Landesregierung den Schutz queerer Menschen durch eine Ergänzung des Artikel 3 im Grundgesetz zu sichern.
Fehlende Förderungen für Beratung und Prävention
Die Unterstützung für Beratungs- und Präventionsangebote für queere Menschen ist seit Jahren unzureichend. Diese Angebote sind jedoch essenziell, um queere Personen in Krisensituationen zu unterstützen und präventiv gegen Diskriminierung und Gewalt zu wirken. Wir fordern eine Erhöhung der finanziellen Mittel für diese wichtigen Programme. Grundsätzlich erwarten wir auch in Zeiten angespannter öffentlicher Haushalte einen Bestandsschutz für die bestehenden Förderungen und wir fordern die aufgabengerechte und langfristige Förderung der vorhandenen Beratungs- und Hilfsangebote.
Fehlende politische Ansprechpersonen und Interessenvertretungen
Es mangelt an politischen Ansprechpersonen, die die Interessen der queeren Community vertreten. Wir fordern die Schaffung von Positionen innerhalb der Landesregierung, die sich explizit mit den Belangen queerer Menschen auseinandersetzen und deren Stimmen in die politische Diskussion einbringen. Gleichzeitig müssen die Landtagsfraktionen ihre Rolle als politische Akteure ernstnehmen und den kommunikativen Austausch mit der queeren Community verstärken.
Sensibilisierung in Polizei und Justiz
Die Sensibilisierung von Polizei und Justiz für die Belange queerer Menschen ist dringend erforderlich. Häufig fühlen sich queere Personen bei der Anzeige von Straftaten nicht ernst genommen oder gar diskriminiert. Wir fordern Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen für Polizei und Justiz, um ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen queerer Community und den Sicherheitsbehörden zu fördern sowie gegenseitige Vorverurteilungen abzubauen. Es bedarf hier unbedingt Ansprechpersonen für die queere Community in der Landespolizei, zumindest in beiden Polizeipräsidien Rostock und Neubrandenburg. Diese müssen Ansprechpartnerin für queere Menschen, deren Angehörige sowie Freund*innen sein und einen entsprechenden Zeitanteil (von mind. 20 %) ihrer wöchentlichen Dienstzeit zur Verfügung haben. Zudem müssen Polizei und Justiz Maßnahmen ergreifen, um die bislang zu geringe Anzeigenbereitschaft bei queerfeindlichen Straftaten zu erhöhen. Nur so sind eine wirksame Strafverfolgung und der Schutz sexueller und geschlechtlicher Minderheiten, sowie der Abbau von wechselseitigen Vorurteilen möglich.
Fehlende Schutzräume für queere Personen
Schutzräume für queere Personen sind unerlässlich, um Sicherheit und Unterstützung zu gewährleisten. Diese Räume sollten nicht nur physisch, sondern auch emotional und psychologisch sicher sein. Wir fordern die Schaffung und Förderung solcher Schutzräume. Schlussendlich muss sich aber unsere gesamte Gesellschaft dahin entwickeln, dass Schutzräume nicht mehr notwendig sind. Dazu muss die Zivilgesellschaft stärker aufgeklärt, gebildet und sensibilisiert werden.
Fazit
Die queere Community steht vor großen Herausforderungen, die durch den anhaltenden Rechtsruck sowie Extremismus und die damit einhergehende Queerfeindlichkeit verstärkt werden. Wir appellieren an den Landtag, die Landesregierung und die Zivilgesellschaft, gemeinsam gegen diese Entwicklungen vorzugehen und die Rechte und das Wohlbefinden queerer Menschen zu schützen. Nur durch ein gemeinsames Engagement können wir eine Gesellschaft schaffen, in der Vielfalt geachtet, gefeiert und respektiert wird. Steh ein für Vielfalt! Wähl Liebe!
Das Positionspapier ist auf der Klausurtagung des LSVD Queer Mecklenburg-Vorpommern e.V. am 10.11.2024 durch Vertreter*innen queerer Vereine, Gruppen und Initiativen in Mecklenburg-Vorpommern entstanden.